Nora Rohde ist seit knapp einem Jahr Teil der Geschäftsführung bei tutum. Als Chief Technology Officer (CTO) zählen neben der Produktentwicklung, der IT-Sicherheit und dem Datenschutz auch die Strategieentwicklung des Unternehmens zu ihren Aufgaben. Aber Nora ist nicht nur im Führungsteam eines aufstrebenden Unternehmens, sie ist auch Mutter von zwei Kindern. Dass Sie heute an diesem Punkt steht, führt Nora auf eine gute Kommunikation, die Flexibilität des Arbeitgebers und die gegenseitige Unterstützung in der Familie zurück. Wie sehr die Erziehung und die Einstellung der Eltern auch die Interessensentwicklung von Kindern prägen können und was sie von klassischen Rollenbildern hält, hat Nora uns in einem Gespräch verraten.
Ich habe es schon als Kind geliebt, Rätsel und Aufgaben zu lösen. Mich faszinieren Daten, Zahlen und Fakten und vermutlich fesselt mich deswegen bis heute auch die Logik, die Zusammenhänge und die Vorhersehbarkeit der IT. Meine Karriere habe ich damals mit einer Ausbildung bei Siemens gestartet. Dort habe ich tatsächlich das erste Mal in meinem Leben programmiert! Und das hat mich so begeistert, dass ich mich anschließend dazu entschied, ein Bachelor- und Masterstudium in Informatik zu absolvieren.
Gleich nach dem Studium kam ich 2013 als Projektleiterin zu tutum. Mittlerweile gehöre ich als CTO zur Führungsriege. Insofern hat sich mein Aufgabenschwerpunkt von der rein operativen Arbeit zur strategischen Entwicklung des Unternehmens verändert. In meinem Aufgabengebiet begeistert mich die Möglichkeit, dass ich nach wie vor immer noch Neues lernen kann. Vor allem der Wechsel von der operativen Technik hin zu strategischen Themen und der Unternehmensentwicklung hat mir noch einmal unglaublich neue und spannende Aufgaben und Herausforderungen geboten. Ich liebe es, dass ich als CTO den Weg und die Zukunft von tutum aktiv mitgestalten kann.
Nachdem ich inzwischen zwei Kinder habe, arbeite ich überwiegend von zuhause aus. Mein vierjähriger Sohn geht in den Kindergarten, meine Tochter besucht die Kinderkrippe. An sich versuche ich einen Tag pro Woche im Büro zu sein. Das klappt nicht immer, aber nachdem wir uns im Team wirklich gut austauschen, ist auch das überhaupt kein Nachteil. Mein Mann arbeitet genauso wie ich auch Vollzeit und ist ebenfalls überwiegend zuhause. Wir planen unser Familienleben wöchentlich, ohne Kalender geht das inzwischen auch nicht mehr. Und legen so fest, wer sich wann um die Kinder kümmert, sie von A nach B fährt, den Haushalt erledigt und wie wir alles andere wuppen, das so anfällt. Spontan und ad hoc funktioniert bei uns nicht, aber das System hat sich gut bewährt (lacht). Unsere Kids verbringen nach der Kita und der Krippe auch festgelegte Zeiten bei ihren Großeltern. Das hilft uns ungemein und so schaffe ich es dann wieder, an meinen „kinderfreien“ Tagen aufzuholen, was vorher liegengeblieben ist. Abgesehen davon gibt es bei mir keine langen Mittagspausen. Ich fühle mich wohler, wenn ich zwischendurch mal eine halbe Stunde abschalte und mich dann wieder an den Schreibtisch setze.
Mit einem Frauenanteil von 16 % sind weibliche Angestellte in der IT-Branche deutlich unterrepräsentiert, das zeigt auch eine Studie aus dem Jahr 2020 von eco, dem Verband der Internetwirtschaft. Meiner Meinung liegt das häufig an festgefahrenen Vorurteilen. Sprüche wie „Frauen sind technisch einfach nicht so affin“, gehen mir ehrlicherweise ziemlich auf die Nerven. Leider ist das klassische Rollenbild der Frau immer noch in einigen Köpfen fest verankert. Und deswegen gibt es hier einen echten Handlungsbedarf.
Technikaffinität oder soziales Engagement dürfen meiner Meinung nach nicht am Geschlecht festgemacht werden. Nur, wenn wir geschlechterunabhängig die Interessen und Talenten von Kindern fördern, schaffen wir es, dass Kinder selbst ihre Vorzüge entdecken und ihre Fähigkeiten entwickeln können. Es ist so wichtig, dass man unabhängig vom Geschlecht unterschiedliche Denk- und Herangehensweisen zulässt. Denn nur so ebnet man den Weg für neue und innovative Lösungswege. Und das klappt tatsächlich nur, indem man die klassische Rollentrennung aufhebt und den Kindern vorlebt, dass es keine stigmatisierte Interessenverteilung gibt.
Technische Affinität und soziales Engagement sind keine Geschlechterrollen.
Also ich denke nicht, dass das stimmt. Tatsächlich ist es so, dass man unglaublich viel von Kindern lernt und man sich bestimmt auch bei gewissen Dingen verändert. Geduld ist hier so ein Beispiel: Als Mutter musst du einfach lernen, dass du für manches mehr Zeit aufbringen musst und nicht alles gleich und sofort erledigen kannst. Aber inwiefern man davon etwas für die Karriere nutzen kann, hängt doch eher von einem persönlich ab. Auch ohne Kinder kann eine Karriere vor sich hin plätschern. Meiner Meinung nach ist da der eigene Antrieb der wichtigste Motor – unabhängig von Familie & Co. Ich finde, dass Kinder definitiv kein Karrierekiller sind, aber sie machen es sicherlich schwerer, wenn das Umfeld nicht mitspielt. Und darauf sind Frauen doch aktuell noch mehr angewiesen als die Männer. Jeder Mann, der Karriere macht und Kinder hat, weiß ziemlich sicher, dass er das ohne fremde Unterstützung, also z. B. die Frau / Partnerin, die eigenen Eltern oder auch ein Au-pair vermutlich nicht in dem Maß schaffen würde.
Vermutlich im Studium (lacht). Ich glaube, es gibt eigentlich keinen perfekten Zeitpunkt. Wenn man gerade die Stelle gewechselt hat, ist es sicherlich eher ungünstig. Ich finde es schwierig, den eigenen Kinderwunsch nach einer Karriere zu planen. Es kommt vielmehr auf die private Situation an. Die sollte im Gleichgewicht sein, denn sonst hat man sicherlich auch mehr Probleme, die eigene Karriere zu forcieren.
Für mich war es enorm wichtig, dass ich mich vor meiner Elternzeit mit der Geschäftsführung und dann natürlich auch mit meinem Team an einen Tisch gesetzt habe. Wir haben im Vorfeld sehr klar besprochen, was während meiner Abwesenheit in der Firma passieren wird und wann ich wieder einsteigen möchte. Nachdem ich während dieser Zeit auch für Notfälle erreichbar war, war ich auch nie ganz mit dem Herzen weg. Außerdem habe ich durch meinen Mann, der auch bei tutum arbeitet, nach wie vor sehr viel mitbekommen. Insofern fiel mir das Zurückkehren sehr leicht. Mein Kollege Borna hat – neben Florian – auch einen enormen Beitrag dazu geleistet, dass ich wirklich gerne CTO bin. Mit ihm kann ich auch über alles sprechen und das Team aus Florian, Borna und mir in der Geschäftsleitung funktioniert einfach super. Wenn er mich als CTO und Mutter nicht genau so akzeptieren würde wie Florian, dann würde es schlichtweg nicht in der Konstellation klappen.
Bei uns ist klar definiert, wer für die Kinder während meiner Arbeitszeit zuhause zuständig ist. Ich habe glücklicherweise die Freiheit, dass ich die Tür zu meinem Büro zumachen kann, ohne dass ich mir die ganze Zeit darüber Gedanken machen muss, ob meine Kinder gut versorgt sind und was sie gerade machen. Wenn die Kinder etwas in der Zeit brauchen, haben sie immer jemanden um sich, der sich um sie kümmert. Und konsequenterweise arbeite ich in den Zeiten nicht, wenn ich für meine Kinder zuständig bin.
Es fängt eigentlich bei ganz simplen Dingen an. Ich habe gelernt, dass ein bisschen Staub zuhause nicht tödlich ist. Und das ist nur ein Beispiel. Manchmal hilft es schon sehr, die eigenen Maßstäbe ein bisschen herunterzuschrauben. Das gilt für die persönlichen, aber auch ebenso für die „innerfamiliären“ Maßstäbe. Aber generell ist einfach eine gute Kommunikation (und davon möglichst viel) untereinander total wichtig. Denn nur so klappt dann auch die Aufgabenverteilung. Und als Frau sollte man einfach akzeptieren, dass Männer / Väter Dinge anders anpacken und Aufgaben anders lösen, als man es selbst machen würde. Hier sind wir praktisch wieder bei den Maßstäben. Die sind nämlich manchmal weniger entscheidend, als man anfangs denkt.
Ich kann meinen persönlichen Weg vor allem auf die Offenheit von Florian Körber, dem Geschäftsführer von tutum, und ein wenig auf das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein, zurückführen. Egal, ob es sich dabei um eine Mutter oder einen Vater handelt: Das Entgegenkommen des Arbeitgebers und die Bereitschaft zur Flexibilität ist entscheidend. Und abgesehen davon ist eine Partnerschaft hilfreich, in der die klassische Rollenverteilung keine Rolle spielt, sondern beide beruflich erfolgreich sein und für die Kinder da sein können. Und schlussendlich hilft natürlich auch ein gut funktionierendes Netzwerk aus Großeltern und Kita on top, wenn trotz aller Organisation mal irgendetwas nicht nach Plan läuft. Das Wichtigste dabei ist auf jeden Fall, dass man sich nicht beirren lässt. Es gibt kein Universalkonzept für Job & Familie. Jeder muss für sich individuell das Modell finden, das sich mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Bezug auf Familie und Beruf vereinen lässt.
Es braucht Flexibilität und individuelle Lösungen.
Nora ist ein unheimlich kluger Geist und hat ein sehr tiefgreifendes technisches Verständnis. Ich habe nie daran gezweifelt, dass Nora die Position als CTO hervorragend ausfüllen wird. - Florian Körber
Hier sind meiner Meinung nach die Unternehmen besonders gefordert. Sie sind es, die Änderungen anschieben und Mütter in Führungspositionen etablieren müssen. Grundsätzlich sollte sich das Mindset ändern, dass Frauen mit Kindern per se nicht als Führungspersonen geeignet sind. Denn es gibt viele Frauen, die neben Job, noch Kinder, Haushalt, Sport und soziale Kontakte für sich und ihre Familie richtig gut wuppen. Das heißt, dass Mütter per se in mehreren Jobs arbeiten - und das richtig gut. Diese Frauen sind zwangsläufig gezwungen, strukturiert vorzugehen und hart zu priorisieren und in kurzer Zeit viele Entscheidungen zu treffen. Frauen müssen die Möglichkeit erhalten, sich in einer Führungsrolle auszuleben. Dazu brauchen sie genügend Flexibilität für ihre Familiensituation. Sind diese Kriterien erfüllt, so ist es absolut vorstellbar, dass mehr Mütter eine Führungsrolle übernehmen werden. Ein „sowohl als auch“ statt dem ewigen „entweder oder“ bedeutet für Eltern und Unternehmen am Ende einen echten Mehrwert.
Das ewige „entweder - oder“ muss aufhören. Damit das passiert, sind vor allem die Unternehmen gefordert.
Ich wollte für mich meine Positionsfrage klären und auch für mich herausfinden, ob ich es schaffe, meiner Rolle als Mutter und als CTO gerecht zu werden – und gleichzeitig auch meine Kinder zufrieden sind. Das ist mir bislang sehr gut gelungen (lächelt). Aber ich möchte auch meine Hobbies wieder aufnehmen und sportlich fit bleiben. Da hilft tatsächlich nur, dass man einfach am Ball bleibt und dafür sorgt, dass einem noch ein bisschen Zeit für einen selbst bleibt.
Als Frau und Mutter eine Führungsrolle in einem IT-Unternehmen einzunehmen, ist für Nora ganz normal. Dass Sie sich in allen Rollen wohlfühlt, liegt vor allem an den Menschen, mit denen sie sich täglich umgibt. Dazu zählen ihr Partner, ihre Familie und vor allem ihr berufliches Umfeld, insbesondere ihre Geschäftsleitungskollegen Florian Körber und Borna Bechi.
Wenn sie mich als CTO und Mutter nicht so akzeptieren würden, wie sie es tun, würde es nicht funktionieren.