Viele Unternehmer haben schon von ihr gehört, für manche ist sie Neuland und die wenigsten haben sie bereits in der Schublade – die Verfahrensdokumentation. Immer mehr Personaldienstleister satteln auf das papierlose Büro um. Wichtig dabei: Zu einem revisionssicheren elektronischen Dokumentenmanagement gehört immer eine Verfahrensdokumentation. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, was hinter einer Verfahrensdokumentation steckt, wer sie braucht, wie Sie sie erstellen, was hineingehört und wo Sie Vorlagen und Unterstützung finden.
Inhalt:
Aus einer Verfahrensdokumentation soll vollständig und plausibel hervorgehen, wie analoge und digitale Belege in einem Unternehmen empfangen, verarbeitet, ausgegeben und aufbewahrt werden. Sie beschreibt den kompletten Ablauf: Wer tut was, wie und mit welchen Hilfsmitteln?
Es handelt sich um eine Art Handbuch für den Betriebsprüfer. Mithilfe der Dokumentation kann er sich einen schnellen Überblick über die organisatorischen und technischen Prozesse zur Datenverarbeitung und die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen verschaffen.
Grundsätzlich benötigt jedes Unternehmen, das Buchführungs-, Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflichten unterliegt und diese teilweise oder ganz in elektronischer Form erfüllt, spätestens seit Inkrafttreten der GoBD im Jahr 2015 eine Verfahrensdokumentation. Diese können Sie selbst erstellen oder ein Wirtschaftsprüfer oder Dienstleister unterstützt Sie.
Sie haben bisher noch keine Verfahrensdokumentation? Keine Panik! Es besteht zwar die Pflicht zum Erstellen einer Dokumentation, aber das Fehlen allein ist kein schwerwiegender Mangel. Im Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen heißt es unter Randziffer 155:
„Soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigt, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann.“2
Wir empfehlen Ihnen trotzdem mit Nachdruck, eine Verfahrensdokumentation zu erstellen. Eine fehlende Verfahrensdokumentation kann sich je nach Situation auf handelsrechtliche, steuerrechtliche und insolvenzrechtliche Aspekte auswirken. Mögliche Konsequenzen reichen von der Schätzung des Finanzamtes und einer Steuernachzahlung über eine Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit bis hin zu handfesten Straftatbeständen wie Urkundenunterdrückung und Insolvenzstraftaten. Vermeiden Sie solche Risiken und zusätzliche Kosten, indem Sie rechtzeitig eine Verfahrensdokumentation anfertigen.
Viele Unternehmer wissen nicht, dass sie eine Verfahrensdokumentation benötigen, scheuen den Aufwand oder wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Wir empfehlen Mut zur Lücke: Für den Anfang ist eine rudimentäre Verfahrensdokumentation besser als keine. Richten Sie Ihren Fokus zunächst auf die gegenwärtigen Zustände und im zweiten Schritt auf die Zukunft. Beginnen Sie mit den Bereichen, die sich ein Betriebsprüfer wahrscheinlich zuerst anschauen wird. Dies sind etwa Rechnungen, Belege oder Zahlungen über Banken. Erst im dritten Schritt, abhängig vom Zeitpunkt Ihrer letzten Betriebsprüfung, sollten Sie die Prozesse der Vergangenheit rekonstruieren.
Die Personalbuchhaltung und Personaldienstleistung gelten als Nebenbuchhaltung. Nebensysteme der Buchhaltung unterliegen ebenfalls den GoBD. Dadurch sind Sie als Personaldienstleister, auch wenn es in erster Linie nicht um die Buchhaltung geht, verpflichtet, eine Verfahrensdokumentation zu erstellen. Die Zukunft der Zeitarbeit ist digital und die Digitale Personalakte kommt in immer mehr Zeitarbeitsfirmen zum Einsatz. Sie enthält oder ist die Grundlage für Buchungsbelege und Lohnjournale. Als Schnittstelle zwischen Personalmanagement und Finanzbuchhaltung muss für die elektronische Personalakte und alle mit ihr zusammenhängenden Prozessen eine Verfahrensdokumentation angefertigt werden.
Die Zeitarbeitsbranche unterliegt dabei einigen Besonderheiten in Bezug auf die Verfahrensdokumentation. Die Handhabung folgender Punkte sollte sich in der Verfahrensdokumentation wiederfinden:
Der Umgang mit zahlreichen personenbezogenen Daten erfordert besonderen Fokus auf Datenschutz und Datensicherheit. Wie garantieren Sie, dass nur wenige berechtigte Personen Zugriff auf sensible Daten haben?
Sie müssen viele unterschiedlich lange Aufbewahrungspflichten beachten. Eine Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit etwa muss nach drei Jahren gelöscht werden. Wie stellen Sie das sicher?
Sie können zahlreiche Dokumente nach dem Scannen vernichten, jedoch nicht alle. Es gibt Dokumente mit Urkundencharakter, die zwingend der Schriftform bedürfen. Dies sind beispielsweise Arbeitsverträge und Kündigungen.
Die DSGVO schreibt vor, wie lang und wie umfangreich personenbezogene Daten gespeichert werden dürfen. Sie benötigen deshalb ein Löschkonzept, das auch in der Verfahrensdokumentation abgelegt werden sollte.
Die Finanzverwaltung gibt vor, dass für jedes EDV-System, das relevant für die elektronische Buchführung ist, eine Verfahrensdokumentation erstellt wird. Sie soll Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des IT-gestützten Verfahrens vollständig und klar beschreiben.
Die Verfahrensdokumentation ist von praktischer Relevanz: Sie ist vorlagepflichtig und ein Betriebsprüfer schaut sie sich in der Regel an. Sie ist wie ein Leitfaden, der ihm hilft, sich schnell zurechtzufinden. Jedes Unternehmen hat andere Prozesse und Datenverarbeitungssysteme. Um sie bewerten zu können, müssen sie anhand der Verfahrensdokumentation für den Betriebsprüfer nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Dokumentation sollte daher übersichtlich gegliedert und vollständig sein.
Die Verfahrensdokumentation hilft Ihnen, steuerliche und rechtliche Vorgaben einzuhalten und Ihr Haftungsrisiko zu verringern. Denn ein genaues Augenmerk auf Verwaltungsprozesse kann helfen, ungewollten Gesetzesverstößen vorzubeugen. Erhöhen Sie durch das Erstellen der Verfahrensdokumentation die Qualität Ihrer internen Prozesse. Mithilfe des vorgeschriebenen internen Kontrollsystems (IKS) können Sie Risiken besser handhaben.
Nutzen Sie die Chance und nehmen Sie die dokumentierten Prozesse unter die Lupe. Für die Verfahrensdokumentation befassen Sie sich intensiv mit allen Arbeitsschritten und technischen Lösungen. Bestimmt identifizieren Sie eingefahrene und unwirtschaftliche Abläufe, Schwächen der eingesetzten Hard- und Software oder Schulungsbedarf Ihrer Mitarbeiter. Nutzen Sie die Gelegenheit und stoßen Sie Änderungen an.
In der Verfahrensdokumentation eindeutig und verständlich festgehaltene Prozesse verhindern, dass das Wissen mit dem entsprechenden Mitarbeiter in den Urlaub fährt oder wegen Krankheit nicht verfügbar ist. Sie hilft auch neuen Mitarbeitern bei der Einarbeitung: Verbindliche Prozesse sind übersichtlich und schriftlich festgehalten sowie jederzeit nachlesbar.
Die Vorgaben der Finanzverwaltung sind allgemein gehalten und es existiert keine allgemeingültige Vorlage, da der EDV-Einsatz in jedem Unternehmen anders ist.
Inhaltlich besteht eine Verfahrensdokumentation aus den folgenden Teilen:
Hinweis: Die einzelnen Bereiche überschneiden sich und sind nicht immer eindeutig voneinander zu trennen. Zudem sind Sie nicht an diese Struktur gebunden.
Die allgemeine Beschreibung soll dem Betriebsprüfer einen Überblick über das Unternehmen und die buchführungsrelevanten Prozesse verschaffen. Beschreiben Sie Ihr Unternehmen und dessen Organisationsstruktur (z. B. Organigramm) sowie den Tätigkeits- und Wirtschaftsbereich, in denen Sie tätig sind. Starten Sie beispielsweise mit einem Ablaufdiagramm, das die wichtigsten Prozesse der elektronischen Buchführung veranschaulicht.
Die Anwenderdokumentation soll alle rechnungslegungsrelevanten Prozesse abbilden, kritische Bearbeitungsschritte beleuchten und Kontrollen beschreiben. Sie verdeutlicht, wie Daten erfasst, erstellt, geprüft, vorbereitet, digitalisiert, abgelegt, archiviert und vernichtet werden.
Die technische Systemdokumentation soll die eingesetzte IT inklusive Hardware, Software, Konfiguration und Berechtigungskonzepten des Verantwortlichen und der Nutzer dokumentieren. Soweit Sie keine intern entwickelten EDV-Lösungen verwenden, können Sie hier auf Handbücher und technische Beschreibungen der Hersteller verweisen. Machen Sie dabei Angaben zum Datenschutz, zur Datensicherung und Datensicherheit. Wie schützen Sie Daten vor Diebstahl und Verlust? Wie verhindern Sie unautorisierte oder unbeabsichtigte Eingaben und Änderungen?
Die Betriebsdokumentation soll darstellen, was Ihr Unternehmen tut, und zeigen, dass seine EDV stabil und sicher läuft. Dies umfasst Anweisungen zur Betriebssicherheit, Datensicherung und Zugriffsrechte. Wie ist die ordnungsgemäße Buchführung im Falle eines Systemausfalls gesichert? Gibt es Anweisungen für handschriftliche Aufzeichnungen und eine spätere digitale Erfassung?
Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) schreiben den Aufbau eines internen Kontrollsystems vor. Ziel des IKS ist, dass Unternehmen alle dokumentierten Prozesse regelmäßig überprüfen und bei Bedarf aktualisieren. Der Aufbau und die Ergebnisse dieser Kontrollen gehören auch in die Verfahrensdokumentation. Beschreiben Sie, welche Prozesse Sie wie und wie oft überprüfen. Nennen Sie die Rollen der beteiligten Mitarbeiter und die verschiedenen Verantwortungsbereiche. Beispiel: Wird die Eingangsrechnung wie in der Verfahrensdokumentation beschrieben bearbeitet? Kontrollieren Sie regelmäßig an einer Handvoll Rechnungen, ob die gebuchten Daten am Ende sachlich richtig sind, und halten Sie geänderte Abläufe fest.
Häufig fragen sich Geschäftsführer und verantwortliche Mitarbeiter, welche Form eine Verfahrensdokumentation haben sollte. Die GoBD machen keine Formvorschriften. Je nach Größe und Organisationsstruktur des Unternehmens, der Komplexität der Geschäftstätigkeit und der eingesetzten IT-Lösungen unterscheiden sich die Dokumentationen sehr in ihrem Umfang und bieten sich unterschiedliche Formen an. Eine Verfahrensdokumentation kann aus mehreren Dokumenten bestehen und auf andere Dokumente wie Arbeitsanweisungen, Handbücher oder die IT-Sicherheitsrichtlinie verweisen. In sehr kleinen Unternehmen kann ein Handzettel reichen.
Beispiele für die Form einer Verfahrensdokumentation:
Jede Form ist erlaubt. Wichtig ist, dass die Dokumentation für einen sachkundigen Dritten (Betriebsprüfer) verständlich ist und inhaltlich den Anforderungen der GoBD entspricht.
Viele Aufgaben, Abläufe und Strukturen sind in Unternehmen bereits dokumentiert. Nutzen Sie beispielsweise Arbeitsanweisungen und Beschreibungen, mit denen Mitarbeitende eingearbeitet und geschult werden. Auch von Teammitgliedern individuell erzeugte Notizen, etwa als Arbeitshilfe für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen, können nützlich sein.
Stichpunkte und Grafiken genügen. Sie müssen keine ausführlichen Texte verfassen. Diagramme, Grafiken und Organigramme eignen sich, um Strukturen und Abläufe zu verdeutlichen und sind schneller nachvollziehbar.
Besonders für die Anwenderdokumentation sind Screenshots mit stichpunktartigen Erläuterungen geeignet.
Verweisen Sie auf die Dokumente der Anbieter Ihrer Soft- und Hardware. Das sind z. B. Nutzerhandbücher und Beschreibungen der Hardware.
Arbeiten Sie nicht alle Punkte akribisch ab, sondern setzen Sie Ihren Fokus zunächst auf risikorelevante Aufgaben und Prozesse wie z. B. Rechnungen, Belege und Verträge.
Beziehen Sie die zuständigen Personen ein. Häufig können sie ihre Aufgaben am schnellsten und besten beschreiben.
Sie merken, dass Sie beim eigenständigen Erstellen an Ihre Grenzen kommen? Suchen Sie sich Unterstützung. Sie können sich von Ihrem Steuerberater helfen lassen oder andere spezialisierte Berater hinzuziehen. Ein externer Dienstleister kann Sie auf problematische Prozesse aufmerksam machen und Sie mit einem unabhängigen Blick von außen bei der Optimierung Ihrer Unternehmensabläufe unterstützen.
Haben Sie die wichtigsten Prozesse dokumentiert? Die folgende Checkliste kann Sie bei der Erstellung Ihrer Verfahrensdokumentation unterstützen, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da die Prozesse in Unternehmen sehr unterschiedlich sind.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle übernimmt bis zu 1.500 Euro der Kosten für eine Beratung zur Verfahrensdokumentation. Genaueres erfahren Sie im Programm „Förderung unternehmerischen Know-hows“.
Überprüfen Sie mindestens einmal im Jahr, ob Ihre Verfahrensdokumentation noch aktuell ist und den tatsächlichen Prozessen entspricht. Haben sich Abläufe verändert, sollte auch die Verfahrensdokumentation aktualisiert werden. Achten Sie darauf, dass Sie die Dokumentation versionieren und eine nachvollziehbare Änderungshistorie angelegen. Alte Verfahrensdokumentationen müssen so lange wie die sie betreffenden Unterlagen aufbewahrt werden.
Im Internet finden Sie zahlreiche anpassbare Musterverfahrensdokumentationen. Doch bedenken Sie: Die Prozesse sind sehr individuell. Je nach Komplexität, Belegvolumen und IT-Einsatz können die Anforderungen an Verfahrensdokumentation und deren Umfang sehr unterschiedlich sein. Ein Dokument, das für alle passt, gibt es nicht.
Hilfreiche Links und praktische Vorlagen, die das Erstellen erleichtern, haben wir Ihnen hier zusammengestellt:
Ein eindeutiges Ja. Zum einen sind Sie dazu verpflichtet und zum anderen bietet die Erstellung und Nutzung im Alltag einige Vorteile: Sie sind rechtlich auf der sicheren Seite, steuerlich gut vorbereitet und blicken entspannter auf eine eventuelle Betriebsprüfung in der Zukunft. Abgesehen davon können Sie den Dokumentationsprozess nutzen, um wertvolles Wissen strukturiert schriftlich festzuhalten und Optimierungspotenzial zu identifizieren. Wenn Sie diese Chance nutzen und die aufgespürten Schwachstellen verbessern, können Sie Ihre Rechtssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit spürbar steigern. Viel Erfolg dabei!